„Ich möchte einfach Leuten beweisen und zeigen, dass Tanzen keine Norm und keine Grenzen hat.“

(Profitänzerin Renata Lusin in Bezug auf Vorurteile im Tanzsport)

Wer im Tanzsportbereich tätig ist, ist sicher bereits mit dem ein oder anderen Vorurteil konfrontiert worden oder wurde selbst aufgrund diverser Eigenschaften herabgestuft. Dabei ist es ganz egal, welches Geschlecht jemand hat oder auf welche Art und Weise das Tanzen eine Rolle im Leben spielt. Vorurteile, die zugleich in Mythen abdriften, gibt es sehr viele, von denen nun einige als Beispiele aufgezählt werden, um die Intensität dieser Absurdität zu veranschaulichen. Außerdem ist es mir wichtig, am Ende noch genauer darauf einzugehen, dass bereits aus den verschiedensten Richtungen versucht wird, Vorurteile einzudämmen.

„Um erfolgreich tanzen zu können, musst du groß und schlank sein.“

Diesen Satz hören Tänzer:innen und Tanzinteressierte tatsächlich noch sehr oft, doch er ist schon längst aus der Mode. Trauriger Fakt ist jedoch, dass es tatsächlich noch Tanzschulen – insbesondere in der Sparte Ballett – gibt, die dem oben genannten Satz folgen und auf harte Strategien zur Gewichtsreduktion setzen oder Menschen mit Normalgewicht erst gar nicht an Kursen teilnehmen lassen. Auch auf Tanzturnieren ist, trotz jahrelangem Kampf gegen Vorurteile, immer noch zu beobachten, wie Wertungsrichter:innen Tänzer:innen aufgrund ihres Äußerlichen automatisch schlechter bewerten oder herablassende Kommentare abgeben – egal wie gut sie tänzerisch sind. Ein gutes Beispiel, dass Tänzer:innen nicht unbedingt schlank sein müssen, bietet Lizzy Howell, die als Ballerina die Social-Media-Welt begeistert und dort auch gegen Vorurteile kämpft. Sie fällt neben ihren sehr schlanken Kolleginnen aus der Reihe, tanzt jedoch technisch sauber und mit viel Emotion. Seit mehr als zehn Jahren nimmt die US-Amerikanerin Tanzunterricht. Mittlerweile verdient sie mit dem Tanzen auch einen Teil ihres Geldes. Lizzy wurde durch ihren Instagram-Account @lizzy.dances bekannt und hat dort aktuell mehr als 298 Tausend Abonnent:innen. Ihren Durchbruch feierte sie mit einem Video im November 2016. Auch die ehemalige Turnier- und erfolgreiche Let’s Dance-Profitänzerin Christina Luft musste in ihrer Vergangenheit einige Kommentare über sich ergehen lassen, da sie nicht dem Idealbild entspricht. Nun versucht sie, unter anderem über ihr Instagramprofil, anderen Mut zu machen und ihnen mitzugeben, an den eigenen Träumen festzuhalten.

Wie sieht es bezüglich des Geschlechts aus?

Genauso wie Frauen – laut Äußerung einiger konservativer Fußballfans – nichts mit Fußball zu tun haben sollten, wird dasselbe von Außenstehenden auch über Männer im Tanzsport behauptet.  “Tanzen ist doch nur etwas für Mädchen”, “zwingen dich deine Eltern, in die Tanzschule zu gehen?” oder “der tanzt, der ist bestimmt schwul” sind nur einige Äußerungen, die sich männliche Tänzer anhören müssen. Sie werden gehänselt und müssen sich oft rechtfertigen. Aber warum ist das so? Setzen gewisse Sportarten ein bestimmtes Geschlecht voraus oder wieso sollten nicht alle das ausüben dürfen, was ihnen Spaß macht? Hierbei wird oft vergessen, dass es sehr viele – auch international bekannte – Tänzer gibt, die erfolgreicher sind als ihre Kolleginnen. Viele der Choreograf:innen von Showacts bekannter Sänger:innen sind männlich. Auch der Mythos, dass alle Tänzer homosexuell seien, kann aus dem Weg geräumt werden. Genauso, wie in jeder anderen Sportart auch, gibt es natürlich Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben.

Dass es beim Tanzen innerhalb der Paarungen nicht unbedingt Geschlechtsunterschiede geben muss, bewies Nicolas Puschmann, der 2021 mit dem Profitänzer Vadim Garbuzov den dritten Platz erreichte. Ein Jahr später bewiesen auch andere Profitänzer:innen, dass gleichgeschlechtliches Tanzen, auch Equality Dancing genannt, möglich ist und präsentierten es der breiten Öffentlichkeit. Doch wer glaubt dies sei nur in Shows möglich, der täuscht sich. Bereits seit 2008 existiert der Deutsche Verband für Equality Tanzsport e.V. (DVET) und findet von Jahr zu Jahr immer mehr Anerkennung. Auch der TSZ Blau-Gold Darmstadt gehört zu den Mitgliedern dieses Verbands. Jährlich finden zahlreiche Turniere statt, an denen sich hunderte Mitglieder beteiligen.

Immer mehr Vereine, Fernseh- und Showproduktionen sowie deren Tänzer:innen beteiligen sich offen am Kampf gegen Vorurteile

Glücklicher- und sinnvollerweise beziehen immer mehr Tänzer:innen, Tanzschulen, Vereine und Produktionen Stellung zu dieser Situation und versuchen aufzuzeigen, dass es keine Grenzen im Tanzsport geben sollte. So entschied sich die letztjährige Weltmeisterin im Standard-Showtanz Renata Lusin dieses Jahr dazu, mit dem kleinwüchsigen Leichtathleten Mathias Mester in der Tanzshow “Let’s Dance” zu tanzen – obwohl viele weitere Kandidaten zur Auswahl standen. Ihre Begründung für diese Entscheidung: “Ich habe Mathias ausgesucht, weil ich einfach allen beweisen möchte, dass Tanzen keine Grenzen, keine Normen, hat. Wir werden es einfach zusammen rocken.” Gerockt haben die beiden es tatsächlich, denn sie belegten den dritten Platz und tourten im letzten Monat durch ganz Deutschland. Wie das Tanzen mit einem solchen Größenunterschied funktionieren kann, können Sie hier sehen.

Inklusion statt Ausgrenzung aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen

Neben Mathias Mester haben auch schon viele weitere Prominente bewiesen, dass Tanzen auch mit Inklusion in Verbindung gebracht werden und gut funktionieren kann. So tanzten hier bereits der Leichtathlet Heinrich Popow mit Beinprothese oder auch der gehörlose Schauspieler Benjamin Piwko. Einigen dieser Prominenten wurde im Nachgang vorgeworfen, dass sie einen Bonus aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung erhalten hätten. Es sollte aber auch immer beachtet werden, dass jeder Mensch seine eigenen körperlichen Grenzen hat und gerade mit Einschränkungen logischerweise nicht dieselbe Leistung abrufen kann, wie jemand, der komplett gesund ist.

Auch im Amateur- und Leistungssport findet Inklusion immer mehr Platz. Viele Tanzsportvereine und -schulen bieten mittlerweile zum Beispiel Rollstuhltanz oder auch Inklusionstanz an, um jedem Menschen die passende Möglichkeit zur eigenen Entwicklung zu bieten und den Einstieg in den Leistungssport zu erleichtern. Durch den Inklusionstanz wird insbesondere geistig Beeinträchtigten ermöglicht, auch mit Nicht-Beeinträchtigten zu tanzen, ohne gleich überfordert zu wirken. Der Kurs wird speziell auf die Fähigkeiten angepasst. Der Rollstuhltanz ist zum Beispiel bereits auf verschiedenen Ebenen als fester Bestandteil im Deutschen Tanzsportverband e.V. etabliert – von den Hobbygruppen bis hin zum Leistungssport. Menschen mit Behinderung können sich bei Interesse im Darmstädter Umkreis beispielsweise an den Tanz-Sport-Club Ober-Ramstadt e.V. wenden oder auch an den TV 1878 Gross-Umstadt.

Inklusion leben – gemeinsam und gleichberechtigt Sport treiben“

Deutscher Tanzsportverband

Ein Zitat, das nicht nur schriftlich auf der Seite des deutschen Tanzsportverbands verankert sein sollte.

Von Anastasia Völker

Foto: Symbolbild, Pixabay

Quellen:

https://www.rtl.de/cms/let-s-dance-2022-renata-lusin-waehlt-mathias-mester-ich-habe-vom-herzen-entschieden-4921602.html

https://www.zeit.de/zett/politik/2017-06/diese-ballerina-tanzt-gegen-alle-vorurteile-an

https://www.instagram.com/p/BYsVsCijN3O/?igshid=YmMyMTA2M2Y%3D  

Der Cha Cha Cha von Mathias und Renata 🕺💃 | Show 1 | Let’s Dance 2022

https://www.tanzsport.de/de/sportwelt/fachverbaende/equality

https://www.tanzsport.de/de/sportentwicklung/inklusion

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