Die Krise der Krise

Foto: Symbolbild, Pixabay

Es ist 2022 und die Krise hat eine Krise, die eine Krise hat, die eine Krise hat. Das britische Collins Dictionary hat „permacrisis“ zum Wort des Jahres gewählt. Unglücklicherweise hat der nächste freie Psychotherapeut erst in sechs Monaten Zeit für ein erstes Gespräch. Aber ich hätte jetzt einen Moment übrig.

Liebe Krise, es muss ja wirklich schlecht um dich stehen, wenn selbst du nicht mehr weiter weißt. Dich gibt es schon, seit es den Menschen gibt. Du kannst doch auch geil sein. Denk nur mal zurück an deine Erfolge: alle Jahre wieder atomare Endzeitstimmung, Bankenrettungsschirme unter dem Deckmantel der Systemrelevanz, wertloses Monopolyspielgeld in unseren Geldbeuteln. Keiner sonst entlockte Angela Merkel „wir schaffen das“.

Bist du bei uns zu Besuch, wird Stellung bezogen. Menschen krempeln die Ärmel hoch, hämmern wie neurotische Schlagbohrer in die Tasten. Sie tun es, weil sie wollen, dass du gehst – um dann bitte wiederzukehren. Sie tun es aus Liebe zu dir. Denn du, liebe Krise, du bist Fortschritt.

Und stattdessen? Permakrise. Man spuckt das Wort förmlich aus. Davon sollst du ersetzt worden sein? Durch eine kaputte Schweizer Kuckucksuhr, die unablässig nur „quo vadis, quo vadis, quo vadis?“ krächzt? Diese semantische Sinnlosigkeit ist nichts für mich. Permanente Krise – nichts als eine leere Worthülse, die schon am eigenen Anspruch scheitert. Eine Wortfrechheit, ein Kind unserer Ohnmacht. Das Collins Dictionary hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Eine Krise ist immer endlich. Multiple Krisen sind es ebenso. Sicherlich ist die derzeitige Reihung unglücklicher Geschehnisse eine Tragödie. Permanent – also von Dauer – wird aber auch die sogenannte „permacrisis“ nicht sein.   

Epidemie, Inflation, Krieg, Energie und Klimawandel, wir können unsere Dilemmata doch wunderbar klar benennen. Unsere Qualen sind endlich. Sie mutieren nicht mal eben zum Einheitsbrei aus der Kantine, zum ungenießbaren Schlick auf unseren Speisetellern, den man dann irgendwie herunterwürgen muss.

Wie also damit umgehen? Die Antwort fällt denkbar leicht: Wir als Gesellschaft haben das passende Werkzeug, um jede einzelne Krise bewältigen zu können. Durch interdisziplinäre Vernetzungen, Lösungs- statt Katastrophenfokus und konstruktive Sprache ist es möglich, die „permacrisis“ wieder ins Nichts zu schicken.

a.c.*

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