Die Lehre der Homöopathie wird öffentlich kritisch beäugt. Medial wird sie oft ins Lächerliche gezogen. Für viele ist sie nur eine Randerscheinung im schnelllebigen Web – für andere täglich Brot. Um einen kleinen Einblick zu bekommen, spreche ich mit Dr. Michaela Geiger. Sie ist seit 18 Jahren Hausärztin mit dem Schwerpunkt Homöopathie und Vorsitzende des deutschen Zentralvereins für homöopathische Ärzte.
Worin liegt der Vorteil von Homöopathie gegenüber konventionellen Methoden?
Die Homöopathie ist eine von vielen Therapieoptionen in der komplementären Medizin. Es ist wichtig, dass sie in der Hausarztpraxis praktikabel umgesetzt wird. Wir sind alle Schulmediziner und bieten die Homöopathie zusätzlich an. Alle Therapieformen gehen Hand in Hand. Es kommt auch auf den Patienten an. Wir behandeln als Hausärzte in der Regel von Kind bis Greis. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ein Kind mit regelmäßiger stärkster Migräne kommt, dann ist der erste Gedanke, der Beta-Blocker. Das kann jedoch nicht die Lösung sein, in diesem jungen Alter. Daher schaut man sich dann andere Therapieoptionen an. Also man schaut grundsätzlich, was das Beste für den Patienten ist. Da gibt es kein Schwarz-Weiß.
Welche Art von Gesundheitsproblemen behandeln Sie am häufigsten?
Prädestiniert sind die viralen Infekte, die Allergien und chronische Schmerzsyndrome. Das zeigt unter anderem die EPI3-Kohortenstudie in Frankreich, dass es sich um Erkrankungen handelt, die das hausärztliche Bild abdecken.
Wie stehen Ihre Patient: innen der Homöopathie gegenüber?
Das ist bunt. Es gibt Patienten, die für einen Check-up kommen und von der Homöopathie nichts wissen wollen. Das Nachhaltigste für die Arbeit sind jedoch die Patienten, die über Empfehlungen kommen und dann grundsätzlich relativ aufgeschlossen sind.
2019 behandelte Jan Böhmermann die Homöopathie in seiner Sendung Neo Magazin Royale: „Homöopathie wirkt – nicht über den Placeboeffekt hinaus“. Was sagen Sie zu dieser konkreten Anschuldigung?
Es wäre wichtig, nochmal in den Diskurs zu gehen. Es ist Fakt, dass die Homöopathie als Therapieform hilfreich ist und das belegen auch viele Studien. Das Grundproblem ist der Wirkmechanismus, welchen man auch weiter erforschen muss. Bei potenzierten Präparaten, die erheblich verdünnt sind, sollte der Wirkmechanismus weiter erforscht werden. Das ist aktuell offen. Man muss aber klar sagen, dass die Menschen die Homöopathie weiter annehmen. Auch international. In Indien, Südamerika und (Süd-)Afrika. Die Menschen wägen für sich selbst ab. Darüber hinaus kennt man, auch in der konventionellen Medizin, nicht jeden Wirkmechanismus. Beispielsweise bei inhalativer Narkotika. Als Anliegen an Herrn Böhmermann: Er soll sich mal die gesamte Medizin anschauen.
Wie sehen Sie die kritische Berichterstattung in den Medien gegenüber der Homöopathie?
Ich kann es mir auch nicht erklären. Ich denke, es wird sich am pharmazeutischen Prinzip gestoßen. Es ist klar definiert, wie Arzneimittel, pharmazeutisch hergestellt werden. Das ist alles hinterlegt und steht auch im europäischen pharmazeutischen Buch. Also, ich weiß es nicht. Es lässt sich nicht alles erklären, auch nicht in der Medizin. Es ist einfach, Dinge ohne endliche Erklärung, durch den Kakao zu ziehen. Man muss die Gesellschaft fragen, was sie anwenden. Die Homöopathie wird sehr oft angewendet und dieser dann die Mündigkeit zu nehmen, finde ich bizarr. Ich würde einen respektvolleren Umgang und einen größeren Dialog begrüßen.
Sehen Sie sich von Lobbyarbeit konfrontiert?
Wer da welche Interessen hat, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass die Journalisten einen integren guten Job machen wollen. Wie die Finanzierungslage aussieht, weiß ich nicht.
Was ist Ihrer Meinung nach nötig, um die öffentliche Meinung zu verbessern?
Man muss sagen, dass es rein um die mediale Meinung geht. Aus Umfragen, z. B. von Bertelsmann oder vom Sozialinstitut letztes Jahr ging hervor, dass die Menschen mehr denn je die Homöopathie wollen. In der medialen Welt würde ich mir mehr Dialog wünschen. Die Thematik von beiden Seiten sehen und mit den Menschen in Kontakt treten, die die Homöopathie tagtäglich praktizieren.
Wie sehen Sie grundsätzlich die Zukunft für die Homöopathie?
Die Homöopathie existiert jetzt 200 Jahre. Wenn sie keinen Bestand hätte, dann hätte sie sich bereits selbst limitiert. Wichtig wird der Erhalt einer profunden ärztlichen Ausbildung.
Von Rico Kammel
Foto: Symbolbild, Pixabay